Davids Schule als König
David hatte sich nach seiner Rückkehr von dem Beutezug zwei Tage in Ziklag aufgehalten ehe er Kunde vom Tode Sauls erhielt. Denn es war am „dritten Tage“, daß ihm dieses Ereignis und die näheren Umstände von einem Amalekiter berichtet wurden, welcher sprach: „Ich trat zu ihm hin und tötete ihn, denn ich wußte, daß er seinen Fall nicht überleben würde. Und ich nahm das Diadem, das auf seinem Haupte, und die Armspange, die an seinem Arme war, und habe sie zu meinem Herrn hierher gebracht.“ Aber wie nimmt David diese Kunde und die Trophäen auf? Er „faßte seine Kleider und zerriß sie … Und sie klagten und weinten und fasteten bis an den Abend“, Und was den Überbringer betrifft, – David befahl seine sofortige Hinrichtung. Wenn Gottes Gericht sein Volk trifft, mag das Gericht auch noch so verdient und von den Getreuen vorausgesagt sein, so ist es für die Frommen doch immer eine ernste und ergreifende Sache. Kein wahrer David konnte in einem solchen Augenblick an den Vorteil denken, der aus dem Geschehen für ihn erwachsen mochte. Die Seele versucht vielmehr, den Grund des göttlichen Eingreifens zu ermessen, und das Gefühl, daß Gott handelt, bringt das eigene Ich zum Schweigen. Wie viele und schwere Stürme hatten Davids Geist in jenen drei Tagen geübt! Er hatte nicht nur die besondere Barmherzigkeit des Herrn sich selber gegenüber erfahren, sondern er wird nun mit diesem einzigartigen Gericht bekanntgemacht, das ihn in der Verbindung mit Israel so stark beschäftigt, daß er im Augenblick dessen Bedeutung für seine eigene Stellung übersieht. überdies konnte er es nicht zulassen, daß der Amalekiter, der die Nachricht überbracht hatte, weiterleben sollte. Denn er bewies seinen Anspruch auf den Thron gerade in seinem unnachgiebigen Kampf gegen die Amalekiter, im Gegensatz zu Saul, dessen Königtum von Jehova verworfen wurde, weil er Amalek verschont hatte (1. Sam 15), und der nun, unter Gottes unfehlbarer Vergeltung, durch einen Amalekiter getötet und seines königlichen Schmucks beraubt worden war, Es stand daher in Übereinstimmung mit Gottes Wegen und Willen, daß David sein Anrecht auf den Thron durch unbeugsame Rache an Amalek beweisen sollte. Zweifellos führte der Herr in Seiner Gnade eine solche Erbitterung Davids gegen den Feind Israels schon herbei, bevor David den Thron erreichte, indem Er den Amalekitern gestattete, David an der empfindlichsten Stelle zu verletzen. Treuer Gott, dies ist oftmals Deine gnädige Handlungsweise
Für die gottselige Seele ergibt sich stets ein neues Verlangen nach Gottes Rat und Führung, wenn Schwierigkeiten oder Widerstände hinweggeräumt werden, denn die Seele bedarf dann der Anweisung, wie die gegebenen Vorteile richtig zu nützen sind. Wenn es an Urteilskraft mangelt, kann oft großer Verlust entstehen. David befragte daher „Jehova und sprach: Soll ich in eine der Städte Judas hinaufziehen?
Und Jehova sprach zu ihm: Ziehe hinauf. Und David sprach: Wohin soll ich hinaufziehen: Und er sprach: Nach Hebron.“ Welche einfache, glückliche und lehrreiche Abhängigkeit! Wie anders ist seine Verfassung, wo er jetzt Ziklag verläßt, gegenüber der Verfassung, in der er es damals betrat! Wie gesegnet ist die Frucht der göttlichen Zucht, die er nun genießt als er hinaufzieht nach Hebron, geleitet und aufrechterhalten durch die klare Anweisung Gottes! Welche Kraft und Schlichtheit kennzeichnen den Wandel des Mannes, der sich auf die Anweisungen Gottes stützt! David zieht nach Hebron, und „auch seine Männer, die bei ihm waren, hieß David hinaufzuziehen, einen jeden mit seinem Hause“. Wenn mein Vertrauen auf Gott durch die alte Natur nicht behindert ist, so umfaßt es alle Dinge, die mich betreffen. Ich erkenne, daß Gottes Anteilnahme an mir alle meine Bedürfnisse umfassen muß, sonst wäre sie nicht völlige Fürsorge.
Wenn kein Haar von meinem Haupte ohne Ihn zur Erde fallen kann, so ist es für den Glauben offenbar, daß alles was mich betrifft, nun in Seiner Hand ruht. Von diesem Standpunkt aus handelnd, nahm David alle seine Männer mit, und jeder Mann sein Haus. Nichts Geringeres hätte dem Vertrauen auf Gottes Wort entsprochen, das zu ihm gesagt hatte: „Ziehe hinauf nach Hebron.“ Wenn wir in Glauben und Abhängigkeit beginnen, so wird jeder Umstand unseren Glauben sowohl wie die Weisheit unseres Weges bestätigen. So finden wir auch in Vers 4, daß „die Männer von Juda kamen und salbten daselbst David zum König über das Haus Juda“.
Obwohl David nun in die königliche Würde eingesetzt war, entsprach doch diese Stellung bei weitem nicht derjenigen, zu der er auserwählt und von Samuel gesalbt worden war. Sieben weitere Jahre und sechs Monate mußten vergehen, ehe die ganze Nation ihn als König anerkennen sollte (Vers 11).
Auch sollte der „Streit“ noch lang sein „zwischen dem Hause Sauls und dem Hause Davids“, obwohl David „immerfort stärker wurde“. Mit wie langsamen und gemessenen Schritten führt der Herr Seine Knechte an ihren festgesetzten Platz! Der Platz wird zweifellos in dieser Welt nie ganz erreicht, denn obwohl Paulus sagen kann: Dies eine tue ich“, so muß er doch bekennen, daß er jene gewisse Stellung noch nicht er griffen hat, die er in der Herrlichkeit einnehmen wird. je mehr er sich aber danach ausstreckte, je besser erfüllte er seine Berufung und seinen Dienst. Wie oft wird der Knecht Gottes, wie einst David, für eine Zeit nach Hebron versetzt, das heißt -, nur in die teilweise Ausübung des für ihn vorausbestimmten Dienstes eingeführt, und wie notwendig ist dies, um in ihm die richtigen Eigenschaften hervorzurufen. Wir mögen vor Feindschaft zurückschrecken, aber wenn keine vorhanden wäre, würden wir nie die Ausflüsse der Gnade schmecken, die uns durch den Heiligen Geist mitgeteilt wird. David werden nun viele Gelegenheiten geboten, seine Befähigung für die erwünschte Stellung zu beweisen, die er nie gehabt oder wohl nie genützt hätte, wenn er sogleich den Thron über ganz Israel eingenommen hätte.
Seine erste Handlung ist, eine Botschaft der Anerkennung und Ermutigung an die Männer von Jabes-Gilead zu senden, die sich zu Saul bekannt hatten. Dies war große Gnade und die wahre Würde eines Mannes der Macht, der zum Führen und Herrschen befähigt war. Der Thron wird durch Gerechtigkeit befestigt, und der, der nicht unparteiisches Recht sprechen kann, kann nicht nach göttlichen Gedanken regieren. Ein Christ wandelt in Gerechtigkeit und Liebe, indem er allen Ansprüchen aus beidem gerecht und voll Genüge leistet, und die Schwachen und Leidenden mit dem Benötigten versorgt. David kann selbst einem Feinde das verdiente Lob geben, und dies befestigt das Gewicht seiner moralischen Stellung. Obwohl er auch durch Enttäuschungen und Irrtümer geht, wird er doch stärker und stärker und lernt dabei während der ganzen Zeit seine wahre Laufbahn vor Gott zu beschreiten.
Abner wendet sich im Zorn vom Hause Sauls ab (V. 9 ff) und wirbt um David, der sich bereitfindet, mit ihm ein Bündnis zu schließen unter der Bedingung, daß er ihm sein Weib Michal, Sauls Tochter, ausliefere. Es ist schwer, Davids Beweggrund für diese Forderung zu verstehen. Was auch der Grund war, diese Handlung brachte keinem von beiden Ehre ein. Wenn die Herausgabe der Michal für Davids Natur eine Genugtuung war, so muß der niedere Meuchelmord Joabs an Abner ein bitterer Rückschlag für ihn gewesen sein. Gerade, als er auf diesen Mann der Tapferkeit gerechnet haben mochte als das vorausbestimmte Werkzeug, um das erwünschte Ziel zu erreichen, wird Abner niedergestreckt. Ein tiefer Weg der Zucht lag für ihn in diesem traurigen Ereignis. Kein Wunder, daß er um Abner wehklagte. In seiner Klage bekannte er seinen eigenen abhängigen Zustand. Er muß es empfunden haben, welch ein furchtbarer Fleck auf seiner Regierung dadurch lastete, daß das Schwert seines eigenen Heerobersten auf diese Weise seine gerechte Herrschaft durchkreuzt hatte. Er mußte aber lernen, auf niemanden seine Hoffnungen zu setzen. Und selbst dieses Ereignis wendete der Herr am Ende zu seinem Nutzen. Denn das Volk nahm Kenntnis von seiner großen Trauer und empfand Wohlgefallen daran. Was Menschen als ein großes Unglück hinstellen würden, kann Gott zugunsten Seines Knechtes in das Gegenteil verwandeln, David mochte mit Recht sagen: Ich aber bin heute schwach, obschon zum König gesalbt“. Diese Demütigung aber ging nur der Erhöhung voran. Wir müssen unser Bedürfnis nach Gottes Hilfe empfinden und kennen, ehe Er uns öffentlich helfen kann.
Diese Begebenheit, vom menschlichen Gesichtspunkt aus ein so großes Mißgeschick, diente letztlich dazu, das Haus Sauls in bemerkenswerter Weise zu schwächen, denn Isboseth wird von zweien seiner Obersten getötet. Dadurch wird Davids Rivale hinweggetan, ohne daß irgendwelche Schuld auf David fällt, was nicht so gewesen wäre, wenn die Tat mit Hilfe von Abners Schwert ausgeführt worden wäre. O, würden wir nur dem Herrn vertrauen, so würden wir sehen, daß die Dinge, die wir mit unserer schwachen Urteilskraft als uns entgegenstehend betrachten, von Ihm durchaus für uns angeordnet wurden. Der vor Gott gedemütigte und auf Ihn wartende David handelt in diesem Fall des tückischen Mordes so, wie es ihm geziemte, indem er das gerechte Todesurteil die Schuldigen treffen läßt und die nun entstandene Lage aus der Hand des Herrn annimmt. Denn das letzte Hindernis zu seiner Anerkennung als König Israels war nun hinweggeräumt.
„Und alle Stämme Israels kamen zu David nach Hebron … und der König David machte einen Bund mit ihnen zu Hebron, vor Jehova; und sie salbten David zum König über Israel“. In 1. Chr 12,38 werden uns der Charakter und die Eigenschaften der Menge des Volkes Israel dargestellt, die sich in Hebron versammelte, um ihn als König anzuerkennen: „Alle diese Kriegsleute, die sich in Schlachtreihen ordneten, kamen mit ungeteiltem Herzen nach Hebron, um David zum König über ganz Israel zu machen. Und auch alle übrigen in Israel waren eines Herzens, David zum König zu machen.“
So hat dieser vielgeprüfte Knecht nach einem Zwischenraum von ungefähr einundzwanzig Jahren seinen verheißenen Platz eingenommen. Die Schritte zu diesem Ziele hin waren nur langsam gewesen. Tief und mancherlei Art war seine Zubereitung für diesen Platz. Nicht der geringste Teil dieser Zucht fiel in die Zeit der letzten siebeneinhalb Jahre, in denen er nur im teilweisen Besitz des Königtums war. Nun, wo er das Ziel erreicht hat, wollen wir festzustellen suchen, wie er den Platz ausfüllt. Dabei müssen wir immer daran denken, daß seine Unterweisung weiter fortgesetzt wird, jetzt zwar unter anderen Umständen.
Die erste uns berichtete Handlung Davids, nachdem er auf den Thron erhoben ist, ist sein Versuch, die Lade Gottes zurückzubringen. Ein aufrichtiger und Gott gemäßer Wunsch, denn dem Herrn die Erstlinge unseres Gutes zu bringen ist die natürliche Handlungsweise der Seele, die die Segnungen bewußt aus Gottes Hand empfängt. Aber wie oft verderben wir die Ausführung unserer besten Absichten infolge des Einflusses unserer Umgebung. Sie, mit der wir Gemeinschaft haben, entspricht aber stets unserem eigenen praktischen Zustand. Davids Geist wünscht, die Lade Gottes heraufzubringen, „denn wir haben sie in den Tagen Sauls nicht befragt“. Indem er aber zweifellos zu jener Zeit mit den Heeresobersten stark in Anspruch genommen ist, die für ihn das Mittel gewesen waren den Thron zu erreichen, befragt er diese über die Rückführung der Lade, statt sich an Jehova zu wenden. Die Folge ist, wie es stets so sein wird, daß ein menschlich erdachter Plan zur Ausführung kommen soll. Ein von Rindern gezogener Wagen wird für die Überführung bestimmt, statt die Lade nach göttlicher Anweisung von Leviten tragen zu lassen. Was konnte aus dieser Handlungsweise anderes erwachsen als Gericht in der Offenbarung der Heiligkeit Gottes? Ussa wird getötet, ein Schlag für David, der ihn daran erinnerte, daß Jehova nahe war, und daß David, wenn er die Werke Gottes ausführen wollte, dies nur nach den Gedanken Gottes tun konnte. David scheint dies aber nicht sofort erfaßt zu haben. Wir lesen, daß er darüber „entbrannte“, daß er sich vor Jehova fürchtete und sprach: „Wie soll die Lade Jehovas zu mir kommen?“ Überdies ließ er die Lade drei Monate lang im Hause Obed-Edoms, des Gathiters.
Hier lesen wir von zwei Kämpfen Davids gegen die Philister zwischen seinem ersten Versuch, die Lade heraufzuholen, und der schließlichen Ausführung. Ob die Kämpfe tatsächlich zu jenem Zeitpunkt stattfanden, oder so anzusetzen sind, wie im Buche Samuel berichtet wird, mag fraglich sein. Der Geist Gottes gibt uns aber in der Chronika stets die moralische Reihenfolge der Ereignisse. Ich bin daher davon überzeugt, daß sie uns dort in dieser Anordnung berichtet werden, um uns die Lektion zu zeigen, die David damals lernen mußte. Daß er sie das erste Mal nicht beobachtete, brachte ihn zu Fall. Wenn er das Wesen und die Größe der Macht Gottes aufrichtig und tief empfunden hatte (wie zu Baal Perazim, wo Gott den Feind durchbrach „gleich einem Wasserdurchbruch“, als Antwort auf die einfältige und gesegnete Abhängigkeit, mit der David Ihn befragte und sich von Ihm Schritt um Schritt führen ließ), so wäre ihm die Trauer und Demütigung von Perez-Ussa erspart geblieben. Selbst wenn wir große Siege über die Welt errungen haben, ach, wie oft vermengen wir dann unsere Anbetung mit irgendwelchen weltlichen Bestandteilen, die unsere aufrichtigen Absichten zunichte machen. Wenn ich nicht völlig erkenne, daß die Welt und jede Verbindung zu ihr beiseite gesetzt sind, werde ich sicherlich irgendwelches von ihr entlehntes Gedankengut beibehalten, das dann der Wahrheit und Gnade Gottes zuwiderläuft. Im ersten der beiden Kämpfe wird David gezeigt, welchen persönlichen Sieg Gott Seinem Knecht schenkt, wenn er Ihm vertraut; denn er hatte den Herrn in der gleichen völligen Abhängigkeit befragt, wie zur Zeit seines Aufenthaltes als Flüchtling in der Wüste Maon. Abhängigkeit ist aber um so kostbarer, wenn unsere Stellung derart ist, daß sie, menschlich gesprochen, die Abhängigkeit von Gott unnötig erscheinen läßt. Gott hatte verheißen, die Philister in seine Hand zu geben, und die Niederlage war so groß, daß David sagte: „Gott hat meine Feinde durch meine Hand durchbrochen, gleich einem Wasserdurchbruch. Daher gab man jenem Ort den Namen Baal-Perazim“. Es ist aber eine Sache, zu fühlen und zu wissen, daß ich persönlich der Welt gegenüber siegreich bin (vorher kann ich keine Ruhe finden), und eine ganz andere Sache, zu erkennen, daß Gott es ist, der mir Sieg schenkt, das heißt, daß Er mir meine Feinde unterwirft, und, noch weitergehend, daß ich erst in Tätigkeit treten und zum Kampfe vorgehen kann, wenn das „Daherschreiten“ Gottes gehört wird (1. Chr 14,15). Denn dann weiß ich, daß Er „vor mir ausgezogen ist, um das Heerlager der Philister zu schlagen“.
Dies waren die gesegneten Erfahrungen, durch die der Herr Seinen Knecht führte. Sie reichten wahrlich aus, ihn davon abzuhalten, sich dadurch zu erniedrigen, daß er sich Formen und Ideen der Philister aneignete, anstatt Jehova und Sein Wort zu befragen!
Im Verlauf von drei Monaten, in denen David gewarnt, gezüchtigt und so gnädiglich belehrt worden war, hört er von dem Segen, der auf Obed-Edoms Haus aus der Gegenwart des Gottes kam, Dessen Heiligkeit vor so kurzer Zeit sich im Gericht gezeigt hatte, um die Anmaßung des Fleisches hinwegzufegen. Und er trifft Vorbereitungen, um die Lade Gottes in die Stadt Davids mit Freuden hinaufzubringen. Er macht eine Ankündigung, die tatsächlich ein Eingeständnis seines eigenen Fehlers ist: „Die Lade Gottes soll niemand tragen als nur die Leviten; denn sie hat Jehova erwählt, um die Lade Gottes zu tragen und seinen Dienst zu verrichten ewiglich“. Die Einzelheiten dieses lehrreichen Vorfalls finden wir in 1. Chronika 15+16, und wir tun gut, die Gesinnung Davids bei dieser Begebenheit zu beachten. Er handelt sowohl als Priester wie als König, er gibt Befehle und Anordnungen für alles, er ist überdies selber mit einem Ephod und einem Gewand aus feinem Leinen bekleidet, und er tanzte vor Jehova mit all seiner Macht. Welch einen Unterschied gegenüber seinem ersten Versuch, die Lade hinaufzubringen, sehen wir hier, in Macht, Zeugnis und Freude des Herzens! Wie eindrucksvoll ist das Glück des Herzens, das sich mit dem Herrn beschäftigt, und wie gleichgültig ist ihm alle fleischliche Geringschätzung! Dies muß der glücklichste Augenblick in Davids Leben gewesen sein, und zugleich ein Augenblick höchster Ehre, als er sagte: Stehe auf, Jehova, zu deiner Ruhe, du und die Lade deiner Stärke!“ Und damals war es, daß er „zum ersten Male Asaph und seinen Brüdern auftrug, Jehova zu preisen“ (1. Chr 16,7-36).
Ein strahlender und gesegneter Augenblick, nach all seinem Kummer und aller Zucht! Fülle der Freude gibt ihm seine Beschäftigung mit dem Herrn, und mit göttlichem Geschick ordnet er alle Einzelheiten des levitischen Dienstes an! Die Szene wird durch keinen Mißton gestört, außer durch die Tochter Sauls, deren Herz nicht in Einklang mit der ganzen Szene ist, so daß sie kein Mitgefühl mit David haben und kein Verständnis für ihn aufbringen kann, denn sie verachtete ihn in ihrem Herzen. So muß David in dieser Stunde der Freude durch eine unangemessene Verbindung leiden. Und wie oft ist dies der Fall! Mancher führt einen annehmbaren Wandel in dem verdunkelten Licht der bekennenden Christenheit, verrät sich aber bald, wenn er in das helle Licht der Gegenwart Gottes gestellt wird. Wenn dieser Zwischenfall aber eine Wolke am getrübten Himmel über Davids Haupt war, so barg sie zugleich eine Segnung und Befreiung für ihn. Denn diese ungleiche Verbindung sollte ihn nun nicht weiter fesseln. Die Trennungslinie wird von nun an für immer zwischen ihnen gezogen. In der Wüste hatte Gott ihm eine Abigail gegeben, eine verwandte Seele, um seine Verwerfung zu teilen. Und jetzt, als er die Lade Gottes zu ihrer Ruhe auf dem Berge Zion geleitet, unter der grenzenlosen Freude einer Seele, die über die Erhebung Jehovas jubelt, da bricht er das letzte Bindeglied zur Welt. Seine heilige Freude entfremdet ihm das Herz derjenigen, deren innerster weltlicher Sinn sich hier offenbart.
Es erscheint wahrscheinlich, daß David den 30. Psalm aussprach, als er sich „wandte, um sein Haus zu segnen“ (1. Chr 16,43). Da konnte er sagen: „Meine Wehklage hast du mir in einen Reigen verwandelt, mein Sacktuch hast du gelöst und mit Freude mich umgürtet“. Er war nun zur Höhe des Wohlergehens aufgestiegen und konnte sagen: „Ich werde nicht wanken ewiglich“. Seine Seele erfreute sich in Einfalt alles dessen, was ihm aus Gottes Hand zuteil wurde. Und hier ruft er aus: „Ich will dich erheben, Jehova, denn du hast mich emporgezogen und hast nicht über mich sich freuen lassen meine Feinde.“
In diesem Geiste war es, daß David in seinem Hause saß und zu Nathan, dem Propheten, sprach: „Siehe, ich wohne in einem Hause von Zedern, und die Lade des Bundes Jehovas wohnt unter Teppichen‘. Es war das durchaus natürliche und fromme Gefühl einer Seele, die in so lebendiger Weise die Liebe und Güte des Herrn genoß, und als solches wurde es von Nathan gelobt. Es entsprach jedoch nicht den Gedanken des Herrn, und wir lernen daraus, daß die aufrichtigsten und scheinbar geistlichsten Wünsche und Absichten nicht vertrauenswürdig sind und nicht ausgeführt werden dürfen, ehe wir direkte Anweisung vom Herrn erbeten haben. „Und es geschah in selbiger Nacht, da geschah das Wort Gottes zu Nathan also: Gehe hin und sprich zu David, meinem Knechte: So spricht Jehova: Nicht du sollst mir das Haus zur Wohnung bauen…« Und der Herr fährt fort, ihm zu sagen, wie Er Seinem Knecht ein Haus bauen wird! Wenn unser Becher überfließt, sind wir geneigt, auf der Höhe der Freude, die Gottes Güte uns gewährt, uns einen Dienst für Ihn vorzunehmen, zu dem wir gar nicht geeignet sind, obwohl die Absicht durchaus lauter sein mag. Gottes Wort weist uns aber stets unseren richtigen Platz zu, wie es hier David gegenüber geschieht, wobei ihm noch eine erweiterte und wunderbare Enthüllung der Anteilnahme des Herrn an ihn persönlich gezeigt wird. Es ist gut, großen Eifer für die Ehre des Herrn zu haben, aber Sein Wort, das unsere ungeeigneten Pläne korrigiert, wird uns sicherlich auch Seine eigene unermeßliche Anteilnahme an uns enthüllen. Dieses lernt David hier, und nun kann er hingehen und sich vor Jehova niedersetzen in voller Gemeinschaft mit den Gedanken des Herrn, und in jener Beiseitesetzung seiner selbst, die allein durch die Gegenwart des Herrn hervorgerufen wird. Wie sehr wir Ihn auch für Seine Gaben preisen, und diese wirklich aus Seiner Hand empfangen mögen, so sind wir doch fähig, wenn wir im „Hause der Zedern“ sitzen, unsere gebührende Berufung und Stellung mißzuverstehen. Setzen wir uns aber „vor Jehova nieder“ und lauschen Ihm, wie Er uns Seine Gedanken enthüllt, und uns Seine Anteilnahme an uns bezeugt, so wird alles an seinen richtigen Platz gerückt und wir rufen aus. „Wer bin ich, daß du mich bis hierher gebracht hast?“
Nach diesem unterwirft David die Philister, schlägt Moab, und den König von Zoba bei Hamath, als er hineinzog, um seine Macht am Strome Euphrat zu befestigen. Der Herr behütet ihn, wohin immer er sich wendet. David legt Besatzungen in Edom und die Edomiter werden seine Knechte; die Syrer fliehen vor Israel, sie wollten den Kindern Ammon nicht mehr zu Hilfe kommen. Kurz, der Herr schenkt David in beispielloser Art den vollen Segen des Erfolges und Wohlergehens. Wie stellt sich David zu diesen Segnungen? Er war in zweifacher Weise gesegnet worden, geistlich und zeitlich. Geistlich, als er in die Gemeinschaft mit Gottes Gedanken und Absichten eingeführt wurde, Gottes grenzenloses Interesse an seiner Person erkannte und seine unvollkommenen Wünsche sich in der Unbegrenztheit der göttlichen Verheißungen und Absichten verloren. Zeitlich in Segnungen, in der Erhabenheit der Wege Gottes und Seiner Gaben für Seinen Knecht. Ist er fähig, dies alles zu ertragen? Feindschaft stellt den Charakter auf die Probe, indem sie die Hilfsquellen in uns selbst herausfordert. Wohlergehen aber stellt das Fleisch und die Kraft der Selbstbeherrschung auf die Probe. Bei Feindschaft strengen wir alle Kräfte an und wollen sie beweisen, um aus der schwierigen Lage herauszukommen. Wohlergehen dagegen bietet uns Gelegenheit, unseren natürlichen Neigungen die Zügel schießen zu lassen.
Gott hatte David auf wunderbare Weise gezeigt, wie überreich und freigebig Er Seine Hand auftun konnte um ihn zu segnen, Sein Wohlstand war grenzenlos. In diesem Zustand bietet sich seinem Fleische eine Gelegenheit. Er fällt.
Mit welchem Eifer hascht das arme Herz nach Wohlergehen und Gnade und vergißt dabei, daß solche Geschöpfe, wie wir es sind, keine neue Gnade erlangen können ohne gleichzeitig einer neuen Prüfung für das Fleisch ausgesetzt zu werden. Und je mehr wir in den natürlichen Dingen unserer Umgebung ruhen, je größer ist die Gelegenheit für unser Fleisch, sich zu zeigen. Der Herr weiß, daß die Quelle des Bösen vorhanden ist. Und obwohl wir so sehr gedemütigt werden durch die Aufdeckung des Bösen, so ist diese Bloßstellung doch nötig, damit uns die Quelle gezeigt werde. In Wirklichkeit sind wir unter Gottes einsetzendem Gericht nicht schlechter als vorher, denn Er wußte von Anfang, wozu wir fähig waren.
Von seiner Sünde wahrhaft überführt, ist David nun, wie wir in Psalm 51 sehen, niedergebeugt und sein Geist demütig und „zerbrochen“ in der Erkenntnis seiner eigenen Verderbtheit. Er hatte bereits vorher einen demütigen und zerbrochenen Geist gezeigt als Folge der bloßgestellten Schwachheit seiner Natur. Nun zeigt sich dieser Geist in der tiefen Erniedrigung durch die Verderbtheit seiner Natur. In seinem Bekenntnis hierüber gibt er dem Schrei aus dem Herzen Israels an jenem Tage Ausdruck, wenn es „den anschauen wird, welchen es durchstochen hat“ und vor Ihm gedemütigt wird in bezug auf seine „Blutschuld“. Wie schmerzlich dieser Augenblick auch sowohl für David wie für Israel ist, so wird doch beiden gerade in diesem Augenblick das Heil Gottes am völligsten geoffenbart. Denn je tiefer ich gesunken bin, um so kostbarer ist mir die Befreiung.
David wird hiernach durch Gottes wunderbare Gnade in eine tiefere Erkenntnis des Heils eingeführt. Er lernt erkennen, was Gott für den Sünder ist, aber auch, daß Sünde gegen unseren Nächsten durch zeitliche Züchtigung heimgesucht werden muß. Gott ist gerecht in Seinen Regierungswegen mit den Menschenkindern, und der, der sich gegen andere versündigt, muß auch öffentlich bestraft werden. Viele sündigen nur gegen Gott und erleiden dann Strafe an ihrem Fleische, eine Züchtigung, die zwischen ihnen und Gott ausgeführt wird. Wenn durch die Sünde aber andere Schaden erleiden, so muß die Züchtigung eine öffentliche sein.
Davids Kind stirbt. Aber bald zeigen sich wieder die gesegneten Früchte der Zucht in seiner Seele. Sie ist wieder in Abhängigkeit und Unterordnung. Während das Kind noch lebte, flehte er um seinetwillen zum Herrn. Während er zwar weit entfernt davon ist, die Zucht des Herrn zu verachten, empfindet er sie dennoch offenbar äußerst schmerzlich. Als das Kind aber gestorben ist, erkennt er den Ratschluß Gottes in völliger Unterwerfung an. „Da stand David von der Erde auf und wusch und salbte sich.“ Es war für ihn ein Augenblick tiefster Finsternis gewesen, denn jede Mitteilung des Herrn, um den Schmerz seines Herzens zu lindern, hatte ihm gefehlt. Ich glaube, daß dies allgemein der Fall ist, wenn wir unter Gottes Züchtigung leiden. Es ist notwendig, daß wir den gerechten Zuchtweg Gottes empfinden. Und während wir durch die Züchtigung als Folge unserer Sünde hindurchgehen, sind wir uns keines Lichtes und keiner Gemeinschaft bewußt. Wir dürfen jedoch aus der Züchtigung mit erneuerter Kraft und Stärke hervorgehen, wie es bei David der Fall war. Denn wir finden ihn gleich darauf im Kampf gegen Rabba (Vers 29) im vollen Sieg. Er betritt wieder den rechten Pfad, und Ehre und Segnungen werden ihm wieder zuteil. Gott zeigt ihm, so unbeugsam Er auch im Gericht ist, daß Seine Liebe und Fürsorge David gegenüber unverändert geblieben sind.
Trotzdem war der Urteilsspruch ergangen und von Nathan (Verse 10 u. 11) verkündet worden: „So soll von deinem Hause das Schwert nicht weichen ewiglich.“ Obwohl Davids Seele an der Frucht seiner Sünde so bitter gestraft worden war, weil er sich nicht selbst gerichtet hatte, und obwohl er nun auch soweit wiederhergestellt war, so mußte er weiterhin die Züchtigung der gerechten Regierungswege Gottes erdulden, die ihn vor den Menschen demütigten.
Damit gelangen wir zu jenem Abschnitt seiner Geschichte, in dem er infolge des Bösen seiner eigenen Kinder durch Trübsal und Demütigung geht, Es gibt wohl keine empfindlichere Weise, wie einem Mann das Gefühl des Bösen in der eigenen Natur zum Bewußtsein gebracht und wie er tiefer vor den Menschen gedemütigt werden kann. Mängel in der Selbstzucht eines Elternteiles werden sich an seinen Kindern offenbar machen, und von ihren jüngsten Kinderjahren an wird er in schmerzlicher Weise erfahren müssen, was in seiner eigenen Natur unterdrückt und gekreuzigt werden muß, obwohl er möglicherweise niemals genau die gleichen Sünden begangen hat, die sich an seinen Kindern zeigen. Kinder bilden die Fortsetzung des Lebens der Eltern hier auf Erden und zeigen deutliche Abbilder von deren Natur.
Ich halte dafür, daß Amnon gemäß dem Gesetz für seine Sünde den Tod hätte erleiden müssen (Kap. 13, 4). David versäumt es, „gerecht und in der Furcht Gottes‘ “ zu regieren. Das Gericht ereilt Amnon durch die Hand seines Bruders Absalom, der wegen dieser Mordschuld aus dem Königreich entflieht. David gibt der Strategie Joabs nach und ist so schwach, nicht nur die Rückkehr Absaloms zu gestatten, sondern ihn nach einiger Zeit wieder in seine Gunst aufzunehmen (Kap. 14).
Es dauert nicht lange, bis diese Schwäche und Ungerechtigkeit die bittersten Früchte trägt. Denn wenn wir ungerechterweise jemand verschonen, um damit unseren eigenen Gefühlen nach zugeben, so setzen wir uns stets dem Bösen der Natur aus, das wir hätten eindämmen und verurteilen sollen.
Nach der Mitteilung über die Aufnahme Absaloms durch seinen Vater führt uns bereits der nächste Vers in Absaloms Absichten der Empörung und Ermordung seines Vaters ein (Kap. 15,1).
David muß nun fliehen. Was für ein trauriger und demütigender Anblick, ihn zu sehen, der zu solcher Ehre und so hoher Stellung erhoben worden war, wie er nun vom Throne steigt und Jerusalem verläßt vor den Wogen des Tumults und Aufruhrs, der von seinem eigenen Sohn hervorgerufen und genährt wird! Er war schon einmal durch einen ähnlichen Augenblick geschritten, aber unter anderen Umständen. Das Leid von Ziklag war ebenfalls eine Zuchtmaßnahme, aber dort war es auf allen Seiten der Mensch gewesen. Hier dagegen geht es um den Verlust Jerusalems, des Berges Zion, den er liebte, seiner Stellung und alles anderen, und nicht durch die Hand der Amalekiter, sondern durch die seines eigenen Sohnes.
Doch er gibt alles auf, indem er den Ausgang in eine andere Hand legt: „Wenn ich Gnade finde in den Augen Jehovas, so wird er mich zurückbringen und mich sie (die Lade Gottes) und seine Wohnung sehen lassen…“ „David aber ging die Anhöhe der Olivenbäume hinauf und weinte, während er hinaufging; und sein Haupt war verhüllt, und er ging barfuß.“ Wie sehr die Züchtigung jener Stunde in seine Seele eindrang, wird uns in Psalm 3 gesagt: „Viele sagen von meiner Seele: Es ist keine Rettung für ihn bei Gott!“ Aber was folgt dann? „Mit meiner Stimme rufe ich zu Jehova, und er antwortet mir von seinem heiligen Berge!“ Der wahre Wert der Trübsal und Prüfung besteht darin, die Seele zu einem einfältigen Vertrauen auf Gott zu führen. David hatte hierin gefehlt. Während er damals in den ihm verordneten Dienst nicht hinausgezogen war, und sich dadurch selbst in Versuchung und Sünde brachte (Kap. -ii, :t), wird er nun durch seinen eigenen Sohn in einen Krieg hineingerissen. Wenn wir vor dem Dienst zum rückschrecken, zu dem wir berufen werden, bringen wir uns nicht nur selber in Schwierigkeiten, sondern wir beweisen, wie einst Jona, daß wir ein tieferes Geübtwerden der Seele nötig haben, um für unsere Berufung tauglich gemacht zu werden. In dem widernatürlichen und bitteren Kampf erneuert David, der leidende Knecht, sein Vertrauen auf Gott.
Und von dem Augenblick an, wo er sagen konnte: „Ich legte mich nieder und schlief“ (Ps 3,5) verlief alles günstig für ihn. (Ich fühle mich veranlaßt, diese Worte an die Stelle zu setzen, wo es heißt: „Und der König (David) und alles Volk, das bei ihm war, kamen ermattet an, und er erholte sich daselbst“, Vers 14. Er sagt: „Ich erwachte, denn Jehova stützt mich. Nicht fürchte ich mich vor Zehntausenden des Volkes, die sich ringsum wider mich gesetzt haben.- Wenn wir auf Grund unseres Vertrauens auf Gott schlafen können, dann haben wir keine Furcht vor Menschen, so mächtig oder so nahe sie sein mögen.
Ahitophels Rat wird verworfen und David kehrt nach Jerusalem zurück. Absalom aber mußte fallen.
David geht durch andere Trübsale. Seine Geschichte zeigt uns in erster Linie, wie fortwährend die Übung seiner Seele fortgesetzt werden muß. Nach der Befreiung von Scheba (Kap. 20) kommt eine Hungersnot über das Land, die drei Jahre nacheinander andauert. Diese führt ihn dazu, den Herrn wieder zu befragen, und Er sagt ihm, daß die Heimsuchung wegen Saul und dessen Bluthaus gekommen sei. Im weiteren Verlauf werden die Letzten dieses Hauses ausgerottet. Nach diesem entstand ein weiterer Streit mit den Philistern (Vers 15). Am Ende seiner Laufbahn, wie zu deren Anfang, steht er wieder einem Riesen gegenüber – nicht demselben Riesen, denn was wir einmal wirklich besiegt haben, brauchen wir nicht zum zweiten Male zu besiegen. Aber andere Riesen erheben sich und stellen unsere Kraft auf die Probe, und wir müssen erkennen, daß das, was dem Glauben ein Leichtes ist, demjenigen, der nicht in der Glaubensübung steht, gefährlich werden kann. Hat unser Vertrauen auf Gott nachgelassen, so ist auch unsere Widerstandsfähigkeit geringer, so weitgehend auch unsere Erfahrung und Festigkeit sein mag, David war hier „ermattet“; als aber der Riese „gedachte, David zu erschlagen kam Abisai ihm zu Hilfe und tötete den Philister.
2. Samuel 24 u. 1. Chronika 21.
Noch eine weitere Zucht besonderer Art ist notwendig für diesen schon so viel gezüchtigten Knecht, und zwar am Ende seines Lebens. Manche Jahre waren verflossen, seitdem er gewünscht hatte, dem Herrn ein Haus zu bauen – ein Wunsch, der an sich gut war, aber zu dessen Verwirklichung er nicht berufen war. Der Herr erlaubte daher die Ausführung nicht, obwohl Er gleichzeitig David reichlich an seiner Seele segnete durch die Offenbarung der göttlichen Anteilnahme an seiner Person. Erst am Ende seines Lebens wird ihm gezeigt, wie wenig geschickt er tatsächlich für den Bau des Hauses des Herrn war, denn er wußte noch nicht einmal, wo es gebaut werden sollte. Diese Erkenntnis wird ihm zuteil als die Frucht der göttlichen Züchtigung wegen seines Versagens. Der Platz für den Tempel wird ihm gezeigt in seinem moralischen Wert und seiner Eignung. So konnte er, indem seine Seele das Wesen jener Gnade erkannte, die die Grundlage von allem bildete, seine letzten Stunden den Vorbereitungen für den Tempelbau widmen.
Als David Ruhe hatte von allen seinen Feinden und sich natürlicherweise seiner erhabenen Stellung bewußt war, nutzt Satan dies aus, indem er ihn versucht, das Volk zu zählen, und sich dadurch seiner irdischen Hilfsquellen zu erfreuen (Kap. 24). Gott war es gewesen, Der ihn zu seiner jetzigen Stellung erhoben hatte, aber das menschliche Herz will Gottes Gaben zusammenzählen, um sich darin unabhängig vom Geber zu fühlen. Alles, was er besaß, verdankte er in einzigartiger, wunderbarer Weise Gottes Güte. So war es eine sehr offensichtliche, beschämende Wirksamkeit des Fleisches, wenn er zu Ende seiner Laufbahn seinen Wunsch öffentlich kundgab, für groß zu gelten aufgrund der Zahl seines Volkes, und nicht aufgrund des Beistandes Gottes, Der ihn bis hierher gestützt hatte. Der Herr sucht ihn diesetwegen heim, gestattet ihm aber, eine von drei Plagen zu wählen. Sind wir gestrauchelt, so ist Zucht nötig, um das Fleisch zurechtzuweisen. War die Verfehlung privater Natur, so ist die Züchtigung eine persönliche, wenn auch nicht weniger schmerzvolle; wenn sie aber öffentlicher Natur war, so muß auch die Züchtigung in der öffentlichkeit erfolgen, denn Gott erweist Seine Gerechtigkeit gegenüber allen Seinen Geschöpfen. David ist in seiner Seele wiederhergestellt, denn er erwählt die Züchtigung, welche am unmittelbarsten aus der Hand Jehovas kommt, und zeigt dadurch seine erneute Abhängigkeit.
Und nun eröffnet sich ihm ein neues und wunderbares Segensgebiet. Der rührendste Beweis der Gnade Gottes, die aus Seiner Liebe hervorströmt, ist dies, daß uns, wenn die Wiederherstellung völlig ist, stets eine weitere Offenbarung der Fülle unserer Annahme bei Ihm geschenkt wird. Als das Schwert Jehovas über Jerusalem ausgestreckt war, und David im Bewußtsein seiner Schuld ganz auf Gott geworfen war, da offenbarte Gott Seine Gnade. Der Prophet Gad wird gesandt, um ihm zu sagen, daß er hinaufgehen und einen Altar auf der Tenne Ornans, des Jebusiters, errichten solle. David hat an diesem Altar Annahme bei Gott gefunden, während er sich fürchtete, zum Brandopferaltar auf der Höhe von Gibeon zu gehen, welcher zu der ersten Hütte unter dem Gesetz gehörte. Und nun erfährt er hier zum ersten Male, wo der Standort des Tempels sein soll. Lange vorher hatte er versucht, diesen Tempel aufzurichten, – dieses Bild von dem Herrn Jesus Christus. Aber noch nie war er derart gedemütigt gewesen, daß Gott ihn über den richtigen Ort belehren konnte. Auch hatte er, wie viele von im , nicht jene Übungen der Seele gekannt und jenen Lektionen der Gnade sich unterworfen, um auch nur die Anfangsgründe der Arbeit zu kennen, für die er sich geeignet gedünkt hatte. Es ist gut, hohe und große Dienste zu begehren, aber wir müssen zubereitet sein, um sie auf göttlichem Wege auszuführen. Wenn Jakobus und Johannes begehren, im Reiche Christi zu Seiner Rechten und Linken zu sitzen, waren sie dann fähig, von dem Kelch zu trinken, den Er trank, und mit der Taufe getauft zu werden, mit der Er getauft wurde? David hat nun eine Erkenntnis der göttlichen Gnade erlangt, die ihm vorher unbekannt war. Sie befähigt ihn nun, den Ort für jenen Bau zu finden, der Christus als Den darstellte, Der es Selbst auslebte, daß die Gnade über das Gericht triumphiert. Daher konnte David sagen. „Dieses hier soll das Haus Jehovas Gottes sein, und dies der Altar zum Brandopfer für Israel.“ Und daselbst wurde der Tempel errichtet.
Es bleibt uns nur noch übrig, das Ende des Lebens Davids zu betrachten. Es scheint, daß er, nach der Züchtigung und Unterweisung auf dem Berge Morija, sich mit Fleiß der Zubereitung der Materialien für den Tempel widmete.
Außerdem, nachdem er Salomo, seinen Sohn, als König über Israel eingesetzt hatte (Kap. 23), versammelte er alle Obersten Israels und die Priester und Leviten und teilte sie in ihre Abteilungen ein. Schöner und gesegneter Beschluß seines ereignisreichen und lehrreichen Lebens, das bezüglich des Zeugnisses in geziemender Weise durch seine Ansprache an alle Obersten Israels abgeschlossen wird! Dies ist das Ende seiner öffentlichen Laufbahn.
Aber welches waren seine ganz persönlichen Gedanken? In seinen „letzten Worten“ verleiht er ihnen Ausdruck. Dort hören wir über seine eigenen Gefühle und Beurteilungen über alles, – über Gottes Gnade ihm gegenüber, über seinen eigenen unvollkommenen Zustand, über die Hoffnung seiner Seele und den Gegenstand ihres Vertrauens. Und endlich seine Einschätzung der Welt in ihrer Feindschaft gegen Gott, ausgedrückt mit der Bezeichnung „Männer Belials“.
Indem wir diese hoch interessanten und erfahrungsreichen „letzten Worte“ in unserer Seele bewegen und des Kreises der Treuen und Tapferen eingedenk sind, die ihn begleitet hatten und nicht vergessen werden (Verse 8 ff), mögen wir die Geschichte des „Mannes nach Gottes Herzen“ beschließen unter dem Schall des Psalm-Gesanges: „Wunderbar sind deine Werke, und meine Seele weiß es sehr wohl!‘ (Ps 139,14)
Jule | 04.20.13 | Bibelkommentare.de, Nachforschungen zum Bibellesen |
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