Welcher Feiertag ist eigentlich wichtiger, Karfreitag oder Ostersonntag?
„In dem gekreuzigten Christus liegt die wahre Theologie und Erkenntnis Gottes.“ Diesen Gedanken hatte Martin Luther im Jahre 1518 in dem berühmt gewordenen Streitgespräch an der Universität Heidelberg entfaltet, das unter dem Namen Heidelberger Disputation in die Theologiegeschichte eingegangen ist.
Zu diesem Zeitpunkt hatte die römische Kirche Luther wegen des Ablassstreites schon im Visier. Sie wollte dazu seine Position hören. Luther ging auf die Problematik des Ablasses im engeren Sinne aber gar nicht ein, sondern er behandelte das Thema der Werkgerechtigkeit und der Kreuzestheologie. Luther vermittelte in seinen Thesen den Grundgedanken seiner Theologie: die völlige Abhängigkeit des Menschen von der Gnade Gottes. Nicht durch seine Werke erlangt der Mensch Gottes Gnade, sondern allein durch seinen Glauben. Deshalb spielt die Kreuzestheologie für Luther eine so wichtige Rolle. Luther sagt: „Man kann Gott nur finden in Leiden und Kreuz.“ Denn Erlösung und Befreiung von der Sünde finden genau an diesem Ort statt, am Kreuz, das Christus für uns getragen hat.
Aus dieser Konzentration der evangelischen Lehre und Predigt auf die Bedeutung des Erlösungswerkes Christi am Kreuz entwickelte sich der Karfreitag zum wichtigsten Feiertag in den evangelischen Landeskirchen. In der katholischen und orthodoxen Kirche wurde dagegen vor allem der Triumph der Auferstehung, der Sieg über den Tod herausgehoben. In einigen katholischen Gegenden wurde in früheren Zeiten sogar der Karfreitag bewusst als Arbeitstag gestaltet, um sich von den Protestanten abzugrenzen.
Auferstehung ist ohne Kreuz nicht zu denken
Der Blick in die Kirchengeschichte scheint deutlich zu belegen, welcher der Feiertage der wichtigere ist. Den Evangelischen der Karfreitag. Den Katholiken der Ostersonntag. Doch ganz so einfach kann man es sich nicht machen. Denn für Martin Luther war der Karfreitag nicht allein mit den Schrecken eines sinnlosen Kreuzestodes verbunden. Wir können das Kreuz nur feiern und verkündigen im Blick auf den österlichen Sieg Gottes über den Tod. Deshalb konnte Martin Luther vom „lieben Karfreitag“ sprechen. Endlich sind die Schrecken des Todes ein für allemal überwunden. Genauso kommt auch die katholische Theologie in der Verkündigung der Auferstehung vom Kreuz her und klammert dieses nicht aus.
Auferstehung ist ohne Kreuz nicht zu denken. Und Kreuz nicht ohne Auferstehung. Romano Guardini hat das so auf den Punkt gebracht: „Der Tod ist die uns zugewandte Seite jenes Ganzen, dessen andere Seite Auferstehung heißt.“ Kreuz und Auferstehung, Tod und Leben, Vernichtung und Erlösung, gehören aufs Engste zusammen. Im Symbol des Kreuzes greift beides untrennbar ineinander. Aber weil wir Menschen beides nicht zusammen denken können, müssen wir dieses Paradox auflösen. Indem wir es zeitlich entfalten und auseinanderziehen. So werden Kreuz und Auferstehung zu einem Weg von Karfreitag nach Ostern.
Es ist ein Weg, den wir im Leben immer wieder gehen. Wir nehmen Abschied und Neues beginnt. Beides hat seinen Ort und beides braucht Raum im Leben. Und wenn es uns gelingt, beidem Raum zu geben, dann wird die Frage, was wichtiger ist, ganz und gar unwichtig.
(Bischofskolummne)
Jule | 03.28.13 | die Kirche |
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