„Der Wert eines guten Namens“

Quelle Wachtturm 15.September 1977
Was wollte der Weise damit sagen?

Der Wert eines guten Namens

Ein guter Name oder ein guter Ruf ist etwas Wertvolles, was es verdient, geschützt zu werden. Der weise König Salomo sagte:

“Ein Name ist besser als gutes Öl und der Tag des Todes als der Tag, da man geboren wird” (Pred. 7:1).

Gutes Öl war in alter Zeit etwas Kostbares. Es verbreitete einen lieblichen Duft. Doch noch lieblicher als der Duft guten Öls ist ein guter Ruf. Jemandes Name erhält durch das ganze Leben des Betreffenden seine Bedeutung und sagt aus, was für eine Person er ist. Beim Tode ist dieser Name oder Ruf besiegelt bzw. endgültig festgelegt. Da man bei der Geburt noch keinen Ruf hat, ist der ‘Tag des Todes besser als der Tag, da man geboren wird’.

Wenn man einen guten Namen bewahren möchte, sollte man das Leben mit ernsten Augen betrachten. Salomo empfahl:

“Besser ist es, in das Haus der Trauer zu gehen, als in das Haus des Festmahls zu gehen, denn das ist das Ende aller Menschen; und der Lebende sollte es sich zu Herzen nehmen” (Pred. 7:2).

Wenn in einer Familie jemand stirbt, ist es sicherlich nicht angebracht, daß man die Hinterbliebenen völlig übersieht und dazu übergeht, zu feiern und ausgelassen zu sein. Man hat vielmehr die Gelegenheit, die Trauernden zu trösten. Gleichzeitig kann es sich günstig auf einen selbst auswirken, wenn man in das “Haus der Trauer” geht. Man wird mit allem Nachdruck an die Kürze des Lebens erinnert und daran, wie schnell jemandes Planen und Tun ein Ende nehmen kann. Das kann jemand veranlassen, sich ernsthaft darüber Gedanken zu machen, wie er sein eigenes Leben lebt. Der Geist, der in einem “Haus des Festmahls” herrscht, trägt indes nicht zu derart nüchternem Denken bei.

Salomo sagt weiter:

“Besser ist Verdruß als Lachen, denn durch die Verdrossenheit des Angesichts wird das Herz besser. Das Herz der Weisen ist im Hause der Trauer, aber das Herz der Unvernünftigen ist im Hause der Freude” (Pred. 7:3, 4).

Wer sich im “Haus der Trauer” befindet, wird sich der Kürze des Lebens bewußt und ist wegen unvorhergesehener Ereignisse beunruhigt. Er sieht traurig und ernst aus; er zeigt kein lachendes Gesicht, wie wenn er in einem “Haus des Festmahls” wäre. Sein ernster Blick kann sich auf das Herz günstig auswirken und eine Wendung zum Besseren herbeiführen. “Das Herz der Weisen ist” insofern “im Hause der Trauer”, als es erwägt, wie sie ihr Leben führen sollten und warum. Ihr Herz läßt keine Oberflächlichkeit und Unbesorgtheit erkennen, wie man sie an einem Ort ausgelassener Festlichkeit antrifft.

Salomo setzt diese Argumentation fort und sagt:

“Besser ist es, das Schelten eines Weisen zu hören, als der Mann zu sein, der das Lied der Unvernünftigen hört. Denn wie das Geräusch von Dornen unter dem Topf, so ist das Lachen des Unvernünftigen; und auch das ist Nichtigkeit” (Pred. 7:5, 6).

Wer vom rechten Weg abkommt, würde sicherlich aus dem “Schelten eines Weisen” Nutzen ziehen. Aber von welchem Wert wäre das Lied oder die leere Schmeichelei eines Unvernünftigen? Durch Schmeichelei könnten Fehler zugedeckt werden, der Betreffende könnte in seiner verkehrten Handlungsweise bestärkt und sein Ruf könnte ruiniert werden. Wenn das oberflächliche Gelächter eines Toren zu einer unpassenden Zeit erschallt, tut es dem Ohr ebenso weh wie das Knattern brennender Dornen unter einem Topf; es sind unangenehme, nicht erbauende Laute.

Hüte dich davor, schlecht zu werden

Niemand, auch nicht ein Weiser, ist davor gefeit, schlecht zu werden. König Salomo schrieb:

“Denn allein Bedrückung kann bewirken, daß ein Weiser unsinnig handelt, und eine Gabe kann das Herz vernichten” (Pred. 7:7).

Selbst ein Weiser kann, wenn er längere Zeit bedrückt wird, unbesonnen handeln. Er mag die Selbstbeherrschung verlieren und seiner Enttäuschung Luft machen, indem er anderen mit spitzer Zunge begegnet oder vielleicht versucht, sich durch ungesetzliche Mittel Erleichterung zu verschaffen.

Der Schrifttext könnte andererseits auch Bedrückung beschreiben, an der der Weise selbst beteiligt ist. Jemand, der herrschsüchtig ist oder dazu neigt, andere zu bedrücken, ist, ganz gleich, wie weise er sein mag, unbarmherzig und rücksichtslos. Er läßt die Gefühle anderer außer acht und ist blind für ihre Notlage. Er ist nur auf sich selbst und auf seine Stellung bedacht. Er kommt sich als ein großer Wohltäter vor und meint daher, das Recht zu haben, jeden zu unterdrücken, der es wagt, seine Handlungsweise zu kritisieren. (Vergleiche 2. Chronika 16:10.)

Ein Bestechungsgeschenk kann einen ebenso schlechten Einfluß ausüben wie Bedrückung und “kann das Herz” oder gute Beweggründe “vernichten”. Personen, die sich bestechen lassen, mögen Arme und Bedürftige, die unter Diskriminierung und Parteilichkeit zu leiden haben, herzlos behandeln.

Wie man Ungerechtigkeit und Bedrückung ertragen kann

Was kann man tun, um mit Ungerechtigkeit fertig zu werden? Salomos weitere Worte sind dabei sehr hilfreich:

“Besser ist das nachherige Ende einer Sache als ihr Anfang. Besser ist einer, der geduldig ist, als einer, der hochmütigen Geistes ist. Sei nicht eilig in deinem Geiste, gekränkt zu werden, denn sich gekränkt zu fühlen ruht im Busen der Unvernünftigen” (Pred. 7:8, 9).

Es ist vernünftig, geduldig zu sein und darauf zu vertrauen, daß letztlich für Gottes Diener alles gut ausgehen wird. Ja, das Ende einer Sache mag ganz anders sein als ihr düsterer Anfang. Das traf gewiß auf die in Ägypten versklavten Israeliten zu. Als Moses Pharao anfangs um die Freilassung der Israeliten bat, reagierte dieser mit verschärftem Druck (2. Mose 5:1-9). Am Ende machte sich jedoch Jehova Gott einen großen Namen, indem er die Befreiung seines versklavten Volkes herbeiführte (2. Mose 12:31, 32).

Ein geduldiger Mensch ist nicht so sehr geneigt, selbst etwas in die Hand zu nehmen und dadurch sich oder andere in Schwierigkeiten zu bringen. Doch jemandem, der hochmütigen Geistes ist, fällt es schwer, beherrscht zu bleiben, und er neigt dazu, übereilt zu handeln, was zu seinem eigenen Schaden ist. Ein ungeduldiger Mensch, dessen Erwartungen unerfüllt bleiben, gerät schnell in Zorn. Er ist leicht gekränkt oder entwickelt einen starken Unwillen. Er pflegt diesen Ärger oder diesen Unwillen und behält ihn so eng bei sich, als ob er ihn in seinem Busen ruhen ließe. Deswegen sprach Salomo mit Recht von ihm als von einem “Unvernünftigen”, denn seine Einstellung zeitigt schlechte Ergebnisse in Form übereilter Worte oder Handlungen.

Eine realistische Ansicht über die Vergangenheit ist eine weitere wertvolle Hilfe, mit unerfreulichen Situationen in der Gegenwart fertig zu werden. Salomo gab den Rat:

“Sprich nicht: ,Weshalb ist es geschehen, daß sich die früheren Tage als besser erwiesen haben als diese?’, denn nicht zufolge von Weisheit hast du danach gefragt” (Pred. 7:10).

Wer sich in die “gute alte Zeit” zurücksehnt, vergißt, daß es auch damals genügend Probleme und Sorgen gab. Das Leben in diesem unvollkommenen System entspricht nie dem Idealzustand. In der Vergangenheit mag einiges besser gewesen sein, etwas anderes dafür wieder nicht. Ein nostalgischer Blick in die Vergangenheit mag sehr unrealistisch sein. Außerdem kann niemand die Zeit zurückdrehen. Daher ist es sehr unvernünftig, zu glauben, es sei irgendwann in der Vergangenheit in jeder Hinsicht in dieser Welt besser gewesen, und dadurch unzufrieden zu werden. Eine solche Gesinnung ist keine Hilfe, mit einer unangenehmen, aber unabänderlichen Lage fertig zu werden.

Die Weisheit – von größerem Wert

Ein Erbe ist wertvoll. Aber von welchem Nutzen wäre es, wenn es demjenigen, der es erhält, an Weisheit mangeln würde, um es richtig verwalten zu können? König Salomo schrieb:

“Weisheit zusammen mit einem Erbe ist gut und ist vorteilhaft für die, welche die Sonne sehen. Denn Weisheit dient zum Schutz, gleichwie Geld zum Schutz dient; aber der Vorteil der Erkenntnis ist, daß Weisheit selbst ihre Besitzer am Leben erhält” (Pred. 7:11, 12).

Somit ist Weisheit von größerem Wert als materielle Besitztümer. Jemand, dem es an Weisheit mangelt, mag ein Erbe schnell verschwenden. Geld bietet zwar einen gewissen Schutz und ermöglicht seinem Besitzer, das zu erhalten, was er braucht, doch kann es verlorengehen oder gestohlen werden. Reiche mögen sogar Opfer von Raubüberfällen und Gewalttaten werden. Andererseits kann die Weisheit – die Fähigkeit, Erkenntnis anzuwenden, um Probleme zu lösen oder bestimmte Ziele zu erreichen – jemand davon zurückhalten, törichte Risiken einzugehen, durch die er sein Leben gefährdet. Sie kann jemand vor einem frühzeitigen Tod bewahren und, wenn sie auf einer angemessenen Gottesfurcht beruht, dazu führen, daß er ewiges Leben erlangt.

Die Weisheit ist somit als Schutz bestimmt von Wert. Der Weise sagte:

“Die Weisheit selbst ist für den Weisen stärker als zehn Machthaber, die sich in einer Stadt befunden haben” (Pred. 7:19).

Die Weisheit kann als Schutz mehr leisten als “zehn Machthaber” – die vollständige Zahl von Kriegern, die die Bewohner einer belagerten Stadt beschützen.

Da alle Menschen unvollkommen sind, kommen wir nicht ohne die weise Anleitung aus, die Jehova Gott in seinem Wort zur Verfügung gestellt hat. Als Sünder verfehlen die Menschen bei weitem den vollkommenen Maßstab Gottes. Salomo sagte:

“Denn da ist kein Mensch gerecht auf der Erde, der ständig Gutes tut und nicht sündigt” (Pred. 7:20).

Bestimmt sollten wir uns daher die in der Bibel geoffenbarte Weisheit zu eigen machen. Das wird uns helfen, heute und in der Zukunft Erfolg zu haben.

Woran der Mensch nichts ändern kann

In dieser unvollkommenen Welt geschieht vieles, worauf der Mensch keinen Einfluß hat. So unerwünscht dies auch ist, kann der Mensch doch daran nichts ändern. König Salomo bemerkte:

“Sieh das Werk des wahren Gottes, denn wer vermag geradezumachen, was er gekrümmt hat?” (Pred. 7:13).

In anderen Worten: Welcher Mensch kann die Fehler und Unvollkommenheiten, die Gott zuläßt, beseitigen? Niemand, denn es liegt nicht nur Sinn und Zweck in allem, was der Höchste selbst tut, sondern auch in anderen Dingen, die er geschehen läßt.

Deshalb empfiehlt Salomo:

“An einem guten Tag zeige, daß du guter Dinge bist, und an einem Unglückstag sieh, daß der wahre Gott auch diesen genauso wie jenen gemacht hat, zu dem Zweck, daß der Mensch nach ihnen überhaupt nichts herausfinden kann” (Pred. 7:14).

Gemäß diesem Rat sollte man für einen Tag, an dem alles gutgeht, dankbar sein und sollte dies dadurch zeigen, daß man gütig, großzügig und freundlich ist und in seinen Worten und Handlungen Freude zum Ausdruck bringt. Man sollte einen guten Tag als ein Geschenk Gottes ansehen. Was aber, wenn ein Tag Unheil und Schwierigkeiten bringt? Man tut gut daran, zu ‘sehen’ oder anzuerkennen, daß Gott das Unheil zugelassen hat. Weshalb? Salomo sagt:

“Zu dem Zweck, daß der Mensch nach ihnen überhaupt nichts herausfinden kann.”

Der Umstand, daß Gott uns sowohl Freuden als auch Schwierigkeiten erleben läßt, bietet uns nicht nur Gelegenheit, Ausharren zu entwickeln, sondern sollte uns auch, wie Salomo sagt, nachdrücklich vor Augen führen, daß wir nicht voraussagen können, was die Zukunft bringen wird. Es gibt keine Ausnahmen; Unheil kann sowohl über die Gerechten als auch über die Bösen kommen. Ja, gerechte Menschen mögen leiden, während es bösen Menschen anscheinend gutgeht. Salomo sagt weiter:

“Alles habe ich während meiner nichtigen Tage gesehen. Da ist der Gerechte, der in seiner Gerechtigkeit umkommt, und da ist der Böse, der in seiner Schlechtigkeit lange besteht” (Pred. 7:15).

Dieser Umstand beunruhigt natürlich viele Menschen. Sie sind sogar zornig auf den Höchsten. Doch so weit sollte man es nicht kommen lassen. Wir sollten statt dessen auf Gott vertrauen und daran denken, daß er ein Gott der Liebe ist (1. Joh. 4:8). Was er zuläßt, wird nie zum dauernden Schaden einer Person führen. Die Tatsache, daß sowohl Gutes als auch Böses über uns kommen kann, sollte uns erkennen helfen, wie wichtig es ist, uns nicht auf uns selbst, sondern auf Gott zu verlassen. Wir mögen jetzt zwar gewisse Dinge nicht verstehen, doch dürfen wir davon überzeugt sein, daß alles, was Gott zugelassen hat, wenn es vorüber ist, schließlich für die Betroffenen zum Nutzen gewesen sein wird.

Der Apostel Petrus machte dies deutlich, als er über die Leiden sprach, die zu seiner Zeit über seine Glaubensbrüder gekommen waren: “Geliebte, laßt euch das, was unter euch brennt und was euch als Prüfung widerfährt, nicht befremden, als ob euch etwas Befremdendes zustoße. Im Gegenteil, freut euch weiterhin, insofern ihr der Leiden des Christus teilhaftig seid, damit ihr euch auch während der Offenbarung seiner Herrlichkeit mit Frohlocken freuen könnt. Wenn ihr um des Namens Christi willen geschmäht werdet, seid ihr glücklich, weil der Geist der Herrlichkeit, ja der Geist Gottes, auf euch ruht” (1. Petr. 4:12-14). “Aber nachdem ihr eine kleine Weile gelitten habt, wird der Gott aller unverdienten Güte, der euch zu seiner ewigen Herrlichkeit in Gemeinschaft mit Christus berufen hat, eure Schulung selbst beenden, er wird euch befestigen, er wird euch stärken” (1. Petr. 5:10).

Warum man Extreme meiden sollte

Unvollkommene Menschen können sehr leicht das Gleichgewicht verlieren und extreme Ansichten vertreten. König Salomo gab daher den Rat:

“Werde nicht allzu gerecht, noch zeige dich übermäßig weise. Warum solltest du Verwüstung über dich bringen? Sei nicht allzu böse, noch werde töricht. Warum solltest du sterben, wenn deine Zeit nicht da ist? Es ist besser, daß du das eine erfassest, aber auch vom anderen ziehe deine Hand nicht zurück; denn wer Gott fürchtet, wird bei alledem frei ausgehen” (Pred. 7:16-18).

Wer allzu gerecht ist, sorgt sich meist übermäßig um geringfügige Dinge. Er macht zum Beispiel eine große Streitfrage aus einer rein menschlichen Verfahrens- oder Handlungsweise, aus Dingen, über die die Bibel nichts sagt. Wenn er sieht, wie jemand etwas Gutes tut oder vielleicht Barmherzigkeit erweist, mag er einen Einwand erheben, weil eine gewisse “Form” nicht gewahrt worden ist. Er gleicht weitgehend den Pharisäern, die sich nicht über die wunderbare Erleichterung freuten, die Jesus am Sabbat Bedrückten verschaffte, sondern darüber zornig wurden und schlußfolgerten, der Sohn Gottes habe das Gesetz übertreten, indem er an jenem Tag Heilungen vorgenommen habe (Mark. 3:1-6; Luk. 14:1-6). Personen, die allzu gerecht sind, bedenken häufig nicht, was barmherzig, liebevoll oder hilfreich wäre. Sie gehen in der Anwendung von Regeln bis zum Äußersten. Wenn ihrer Meinung nach eine Regel verletzt worden ist, ziehen sie keine anderen Faktoren in Betracht. (Vergleiche Matthäus 12:2-7; 23:23; Römer 14:1-4, 10).

Personen, die allzu gerecht sind, mögen in der Selbstverleugnung so weit gehen, daß sie ihre Gesundheit schädigen. Sie handeln im Widerspruch zu dem vernünftigen Rat aus Kolosser 2:20-23: “Warum unterwerft ihr euch, als lebtet ihr in der Welt, weiterhin den Verordnungen: ,Fasse nicht an noch koste, noch berühre’ in bezug auf Dinge, die alle dadurch, daß sie verbraucht werden, zur Vernichtung bestimmt sind, gemäß den Geboten und Lehren von Menschen? Gerade diese Dinge besitzen zwar einen Schein von Weisheit in einer selbstauferlegten Form der Anbetung und Scheindemut, einer strengen Behandlung des Leibes; aber sie sind von keinem Wert im Kampf gegen die Befriedigung des Fleisches.”

Wer allzu gerecht ist, läuft tatsächlich Gefahr, wie Salomo sagt, ‘Verwüstung über sich zu bringen’. Er mag sich durch Unbesonnenheit, Eifer oder übertriebene Selbstverleugnung physisch, geistig oder seelisch zugrunde richten. Und was noch schlimmer ist: Eine lieblose Einstellung kann ihn Gottes Gunst und Segen kosten.

Dann gibt es nach den Worten Salomos den Menschen, der ‘sich übermäßig weise zeigt’ und versucht, andere durch seine Weisheit zu beeindrucken. Er schwingt sich zum Kritiker auf und erweckt den Eindruck, er verfüge über ein besseres Verständnis als alle anderen. Weil er eine hohe Meinung von seinen Fähigkeiten hat, mischt er sich häufig in Angelegenheiten anderer Leute ein und bietet unaufgefordert Lösungen für ihre Probleme an. Mit der Zeit entfremdet er sich anderen, und man mag alles mögliche tun, um ihn zu meiden. Außerdem zeigt es sich vielleicht mit der Zeit, daß sein Rat nicht allzu gut war, und man mag ihn beschuldigen, unnötigerweise Schwierigkeiten verursacht zu haben.

Damit jemand nicht ins andere Extrem fällt, indem er Gerechtigkeit und Weisheit nicht mehr im rechten Licht sieht, warnt Salomo auch davor, ‘allzu böse zu werden’. Wir alle müssen selbstverständlich zugeben, daß die Unvollkommenheit eine Realität ist. Der Apostel Johannes schrieb: “Wenn wir erklären: ,Wir haben keine Sünde’, führen wir uns selbst irre und die Wahrheit ist nicht in uns” (1. Joh. 1:8). Deshalb müssen wir uns damit abfinden, daß wir in vieler Hinsicht sündigen. Doch man sollte darüber wachen, daß man nicht leicht über einen Fehler hinweggeht und sich mit den Worten entschuldigt: “Schließlich bin ich ja ein Sünder.” Während man sich des Lebens erfreut, sollte man darüber wachen, nicht alle Zügel fallen zu lassen. Wer denkt, er sei über das Gesetz und über Zurechtweisung erhaben, handelt wie ein Tor und beschwört Unheil herauf. Wenn jemand zügellos handelt, mag er schwerwiegende Probleme bekommen und sogar frühzeitig sterben.

Wie kann man solche Extreme meiden? Man muß Gottesfurcht, eine Ehrfurcht vor dem Schöpfer, haben. Diese Furcht hält einen davon zurück zu sündigen und veranlaßt einen, eine ausgeglichene Lebensweise zu pflegen und Extreme zu meiden. Wer Gott fürchtet, bemüht sich, gerecht und weise zu sein, doch hält er sich davon zurück, allzu gewissenhaft zu sein und Weisheit zur Schau zu stellen. Weil er das Leben auf vernünftige Weise genießt, mag er sogar von Extremisten als ein Sünder verurteilt werden wie Jesus Christus, den man zu Unrecht als einen Säufer und Fresser bezeichnete (Matth. 11:19).

In Wirklichkeit aber achtet ein solch gewissenhafter, ausgeglichener Mensch streng auf seinen Wandel und treibt nicht Sünde. Ein gottesfürchtiger Mensch bleibt von den Problemen und Schwierigkeiten derer verschont, die die göttliche Richtschnur außer acht lassen, (1.) ‘nicht allzu gerecht zu werden und sich nicht übermäßig weise zu zeigen’ und (2.) ‘nicht allzu böse zu werden’. Auf diese Weise ‘erfaßt er’, wie Salomo empfiehlt, ‘das eine, aber zieht auch seine Hand nicht vom anderen zurück’. Er erfaßt Gerechtigkeit, ohne so genau zu sein, daß er unmögliche Maßstäbe für sich und andere aufstellt oder sich vernünftiges Vergnügen im Leben vorenthält.

Sei nicht übermäßig darum besorgt, was die Menschen sagen

Mitunter mag man sich fragen: Was sagen andere über mich? Mögen sie mich wirklich oder nicht? Wenn man sich solche Fragen stellt, sollte man vorsichtig sein. Der Weise rät uns:

“Gib nicht dein Herz all den Worten hin, die die Menschen reden mögen, damit du deinen Knecht nicht Übles auf dich herabrufen hörest. Denn dein eigenes Herz weiß wohl, sogar von vielen Malen, daß du, ja du, Übles auf andere herabgerufen hast” (Pred. 7:21, 22).

Es ist unvernünftig, allzusehr darum besorgt zu sein, was die Menschen sagen, und sich ihre Worte allzusehr zu Herzen zu nehmen. Die Menschen sind unvollkommen, und deshalb mögen sie über Freunde und Bekannte etwas sagen, was keineswegs schmeichelhaft für sie ist. Salomo beobachtete, daß ein Diener, der seinem Herrn gegenüber eigentlich loyal sein sollte, verärgert sein und Böses auf ihn herabrufen mag. Man darf also nicht jede Bemerkung ernst nehmen und sich dadurch beunruhigen lassen. Andererseits kann durch außergewöhnlich vorteilhafte Worte bei jemandem aber auch der Stolz gefördert werden.

Wenn man daher auf die Äußerungen anderer achtet, sollte man auch seine eigenen Worte in Betracht ziehen. Salomo bemerkte, daß man selbst oftmals Schlechtes über andere gesagt hat, ohne damit eine böswillige Absicht zu verfolgen. Warum sollte man sich also über die Äußerungen anderer aufregen, indem man ihre Worte zu ernst nimmt? Warum sollte man sich übermäßig für die Äußerungen anderer interessieren? Man könnte durch die Äußerungen anderer, seien sie günstig oder ungünstig, aus dem Gleichgewicht gebracht werden, falls man sie zu ernst nimmt.

Obwohl sich Salomo eingehend mit den Angelegenheiten der Menschen beschäftigte, erkannte er, daß es ihm nicht möglich war, alles zu verstehen. Er sagte:

“All dies habe ich mit Weisheit erprobt. Ich sprach: ,Ich will weise werden.’ Aber sie war fern von mir” (Pred. 7:23).

Salomo erprobte die Grundsätze, die er als Ergebnis seines ausgiebigen Forschens aufgestellt hatte. Er gebrauchte seine Weisheit, um diese Grundsätze auszuwerten, und stellte mit Genugtuung fest, daß sie stimmten und vernünftig waren. Er hatte die Nichtigkeit und Leere einer materialistischen Lebensweise erkannt, bei der der Schöpfer außer acht gelassen wird. Aber Salomo war sich darüber im klaren, daß er im absoluten Sinne weit davon entfernt war, weise zu sein, und das, obwohl er wirklich den Wunsch hatte, Einsicht zu erlangen, was aus seinen entschlossenen Worten hervorgeht:

“Ich will weise werden.” Obwohl er über außergewöhnliche Weisheit verfügte, konnte er vieles nicht ergründen. Er sagte weiter: “Was geworden ist, ist weit weg und überaus tief. Wer kann es herausfinden?” (Pred. 7:24).

Offensichtlich bezogen sich diese Worte Salomos auf Gottes Handeln, seine Werke und Vorsätze. (Vergleiche Römer 11:33, 34.)

Der Zustand der Menschheit

Salomo erkannte die Größe und Vielfalt der Werke Gottes und wandte sich erneut den Angelegenheiten der Menschen zu. Er schreibt:

“Ich selbst wandte mich um, ja mein Herz tat es, um zu erkennen und zu erforschen und nach Weisheit und dem Grund der Dinge zu suchen und um über die Bosheit der Unvernunft und die Torheit des Wahnsinns Bescheid zu wissen; und ich fand dies heraus: Bitterer als den Tod fand ich das Weib, das selbst gleich Fangnetzen ist und dessen Herz Schleppnetze und dessen Hände Fesseln sind. Man ist gut vor dem wahren Gott, wenn man ihr entrinnt, aber man sündigt, wenn man von ihr gefangen wird” (Pred. 7:25, 26).

Beachten wir, daß sich Salomo aufgrund seines ganzherzigen Nachforschens veranlaßt sieht, eine böse Frau, eine Prostituierte, als das Schlechteste hinzustellen, mit dem ein Mann zu tun haben könnte. Er vergleicht ihre Lockmittel mit “Schleppnetzen” und “Fesseln”. Ein Mann, der sich von einer solchen Frau verführen läßt, mag etwas erleben, was bitterer ist als der Tod; vielleicht zieht er sich eine widerliche Geschlechtskrankheit zu oder ruiniert seine Familie, falls er verheiratet ist. Noch bedeutender ist jedoch der Umstand, daß er sein Verhältnis zu Jehova Gott gefährdet, wenn er sich mit einer Prostituierten einläßt.

Die Tatsache, daß Salomo mit solchem Nachdruck vor den Lockmitteln einer schlechten Frau warnt, legt die Vermutung nahe, daß damals unter Frauen ein sehr niedriges sittliches Niveau herrschte. Das mag auf fremdländischen Einfluß und eine Neigung zur Baalsanbetung zurückzuführen gewesen sein, einem Fruchtbarkeitskult, den Salomo später förderte, weil er seinen ausländischen Frauen gefallen wollte (1. Kö. 11:3-8). Vor diesem Hintergrund mögen die weiteren Worte Salomos verständlich erscheinen:

“Siehe! Dies habe ich gefunden, . . . eins nach dem andern genommen, um das Endergebnis zu finden, daß meine Seele fortwährend suchte, ich aber nicht gefunden habe. E i n e n Mann aus tausend habe ich gefunden, aber eine Frau habe ich unter all diesen nicht gefunden” (Pred. 7:27, 28).

Salomo kam zu der Erkenntnis, daß ein rechtschaffener Mann schwer zu finden war. Es mochte einen unter tausend geben. Doch gestützt auf seine Erfahrungen mit vielen Frauen und Nebenfrauen sowie auf seine Beobachtungen anderer Frauen, kam Salomo zu dem Schluß, daß eine ideale Frau damals noch seltener war. Das heißt nicht, daß es keine vortrefflichen Frauen gab, sondern daß, insgesamt gesehen, nur wenige vorbildliche Frauen zu finden waren. Ein Mann, der eine gute Frau gefunden hatte, war tatsächlich gesegnet. Passenderweise heißt es in den Sprüchen: “Eine tüchtige Ehefrau, wer kann sie finden? Ihr Wert geht weit über den von Korallen” (Spr. 31:10). “Hat jemand eine gute Ehefrau gefunden? Er hat Gutes gefunden” (Spr. 18:22).

Der Umstand, daß rechtschaffene Männer und Frauen schwer zu finden waren, konnte jedoch nicht Gott zur Last gelegt werden. Salomo erkannte dies mit den Worten an:

“Der wahre Gott [hat] den Menschen rechtschaffen gemacht . . ., sie selbst aber haben viele Pläne gesucht” (Pred. 7:29).

Statt an den gerechten Maßstäben Gottes festzuhalten, haben es sich die meisten Männer und Frauen zu ihrem Schaden vorsätzlich erwählt, nach ihren eigenen Plänen, Wahlsprüchen und Methoden zu handeln.

Jule | 06.14.11 | Nachforschungen zum Bibellesen |

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